Tagua - eine Erfolgsgeschichte

Seit 1990 der Handel mit Elfenbein verboten wurde, feiert vegetabiles Elfenbein ein erstaunliches Comeback.

Einige Angehörige der Familie der arecaceae, der Palmengewächse, wie zum Beispiel phytelephas marcocarpa und phytelephas aequatorialis, produzieren so genanntes pflanzliches Elfenbein. Der Name setzt sich zusammen aus dem griechischen phyton für Pflanze und elephas, das wohl keiner Übersetzung bedarf. Ein Blick auf die weiter unten angeführten physikalischen Daten zeigt, dass wohl selten ein Name treffender gewählt wurde.



Die überaus attraktive Pflanze gedeiht in den feuchten Regenwäldern Zentral- u. Südamerikas, von Panama bis Ecuador und erreicht die stattliche Höhe von bis zu 10 Metern.

Weibliche Exemplare der Steinusspalme, so die deutsche Bezeichnung, tragen Früchte, die nicht selten so groß wie Wassermelonen und bis zu 10kg schwer werden. Die Früchte wachsen in Gruppen, so genannten Cabezas und jede Cabeza enthält 4 bis 9 Samenkerne, deren Länge bis zu 15cm betragen kann. Das Gros der „Nüsse“ ist zwischen 4 und 6cm lang. In Ecuador, dem heutigen Hauptanbaugebiet, werden diese Nüsse Taguas genannt und dieser Name hat sich im internationalen Handel mittlerweile etabliert.

Erntefrische Taguas enthalten eine milchige Flüssigkeit, ähnlich Kokosmilch und ebenso trinkbar, und müssen mehrere Monate lang in der Sonne getrocknet werden. Dabei trocknet die Milch auf und die Taguanuss erreicht ihre endgültige Härte.

Die untenstehende Tabelle verdeutlicht, wie ähnlich sich die Eigenschaften von Tagua und Elfenbein sind.


Brechungsindex

Mohs-Härte

spez. Gewicht

Tagua-Nuss

ca. 1,54

ca. 2 ½

1,40 – 1,43

Elfenbein

ca. 1,54

2 ¼ - 2 ¾

1,70 – 1,90


Nach dem Trocknungsprozess werden die Taguas von ihrer dünnen Schale befreit und ähneln dann auch in Struktur und Farbe dem tierischen Elfenbein auf geradezu verblüffende Weise.

Eine einzige weibliche Steinnusspalme produziert pro Jahr soviel „Elfenbein“, wie eine Elefantenkuh in ihrem ganzen Leben. Da es sich bei den Taguas um Samenkerne handelt und die Palme zur Ernte nicht umgeschnitten werden muss, ist die Produktion nachhaltig und ökologisch unbedenklich.

Taguas lassen sich bohren, schneiden, schnitzen, einfärben und nehmen eine sehr hohe Politur an. Die vielseitige Verwendbarkeit, die gute Verfügbarkeit und der niedrige Preis (eine 4cm große, unpolierte Nuss kostet heute nicht mehr als 2 bis 5 Euro) machte Tagua bis zum Aufkommen billiger Kunststoffe zur begehrten Handelsware.Für die produzierenden Länder war Tagua ein überaus wichtiger Devisenbringer.

Aus Taguas wurden Schmuck, Schachfiguren, Billardbälle, Würfel, Knöpfe und vieles mehr gefertigt. Allein in den USA gab es mehrere Fabriken, die ausschließlich Tagua-Knöpfe herstellten. In der Blütezeit waren 20% aller in Amerika gefertigten Knöpfe aus Tagua. So z.B. die Uniformknöpfe der Armee der Vereinigten Staaten, was im amerikanischen Bürgerkrieg von den Scharfschützen der Konföderierten angeblich sehr geschätzt wurde, weil die glänzend polierten und gut reflektierenden Kragenknöpfe hervorragende Ziele abgaben.

Mit dem verstärkten Aufkommen der Kunststoffe ab den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts sank die Nachfrage nach vegetabilem Elfenbein rasch in die Bedeutungslosigkeit. Seit dem Verbot des Elfenbeinhandels im Jahre 1990 steigt der Absatz jedoch erfreulicherweise wieder stark an. In den produzierenden Ländern haben sich Kooperativen gebildet, die die einheimische Bevölkerung bei Anbau, Verarbeitung und Vermarktung unterstützen. Die Tagua-Nuss ist wieder zu einem wichtigen Wirtschaftszweig und für einige Dorfgemeinschaften bereits zur Lebensgrundlage geworden.

Wenn Sie als Goldschmied also die nächste Einlegearbeit anfertigen wollen, das alte Stückchen Elfenbein bereits verbraucht und gerade kein Kamelbein zur Hand ist, warum keine Tagua-Nuss verwenden?