Eine kurze Geschichte der Heraldik

Schon in der Antike wurden bestimmte Symbole benutzt um Machtanspruch und Zusammengehörigkeit zu demonstrieren. So führten z.B. bereits die Heerführer Babyloniens, Persiens, Griechenlands und Chinas Tiere wie Löwen, Pferde oder Vögel auf ihren Fahnen. Diese hatten jedoch lediglich die Funktion, Unheil abzuwehren bzw. die Götter gnädig zu stimmen.
Die erste Erwähnung vererbbarer heraldischer Zeichen, die sich auf Individuen bzw. Familien und nicht auf zivile und militärische Autoritäten beziehen, findet sich in der Bibel:

Und der HERR redete mit Mose und Aaron und sprach: Die Israeliten sollen um die Stiftshütte her sich lagern, ein jeder bei seinem Banner und Zeichen, nach ihren Sippen. (Moses 4,2,1)

Die meisten Historiker legen die Anfänge der abendländischen Heraldik in die Zeit der Kreuzzüge. Papst Urban II, der zum ersten Kreuzzug (1096 bis 1099) aufgerufen hatte, bestimmte, dass die Ritter das Kreuz Christi als Zeichen ihrer Erlösung auf Brust und Schulter tragen sollten. In den Schlachten stellte sich rasch die Sinnhaftigkeit der von den Sarazenen auf Flaggen und Gewändern geführten Feldzeichen und Feldfarben heraus, unter denen die Kriegsherren ihre Soldaten sammelten. Bereits im dritten Kreuzzug (1189 bis 1192) trugen z.B. die Engländer ein weisses, die Franzosen ein rotes und die Flamen ein grünes Kreuz, um ihre Truppen auseinander halten zu können.

Schon bald übernahmen christliche Adelsfamilien die Tiersymbole der sarazenischen aber auch der byzantinischen Heeresorganisation, verknüpften diese orientalischen Elemente mit dem Kreuz, Symbolen aus der normannischen Kulturtradition und der eigenen Familiengeschichte und erschufen so Wappen, die unverwechselbar mit dem jeweiligen Adelsgeschlecht verbunden waren. Mit diesen Wappen wurden nun die Gewänder (Waffenrock) und Fahnen dekoriert, von wo sie, nach Meinung vieler Historiker, alsbald auch auf die Waffen selbst (Schilde, Helme, Schwerter, Rüstungen) wanderten.

Das Wort „Wappen“ hat übrigens seine ethymologische Wurzel im Wort „Waffen“, schließlich zählten der Schild und die Rüstung zu den Verteidigungswaffen der Ritter. Ob die Wappen tatsächlich vom Stoff zum Schild wanderten ist eine nicht geklärte Frage. Im Englischen wird ein Wappen als „coat of arms“, also „Waffenrock“ bezeichnet. Vielleicht wanderten die Wappen ja auch vom Schild auf den Waffenrock. Schließlich trug ein Ritter nicht immer Schild und konnte so an seinem Rock erkannt und gemeldet werden.

Das Wort „Heraldik“ leitet sich von „Herold“ ab, einem neuen Berufsstand, der durch die bald unüberschaubere Anzahl von Adelswappen notwendig geworden war. Aufgabe der Herolde war es, die Ritter bei den seit dem 12. Jahrhundert immer beliebter werdenden Turnieren, die sich von Waffenübungen des Heeres bald zu gesellschaftlichen Ereignissen mit sportlichem Charakter entwickelt hatten, anzukündigen. Da nun ein Ritter in voller Rüstung nicht mehr von Angesicht zu erkennen war, begannen die Herolde eigene Aufzeichnungen über die Adelsgeschlechter und ihre Wappen zu führen. Die Annahme oder Veränderung von Wappen waren allerdings nirgends geregelt. Die Zusammenführung von Adelsgeschlechtern durch Verehelichung, die Abspaltung einzelner Linien durch z.B. Erbteilung aber auch modische Strömungen führten dazu, dass Wappen verändert wurden. Die Herolde hatten also kein leichtes Amt und die von ihnen geführten Wappenrollen begründeten die moderne Heraldik.

In den Wappenrollen wurden die einzelnen Wappen aufgezeichnet und auch sprachlich beschrieben. Die Beschreibung eines Wappens wird als „Blason“ bzw. „Blasonieren“ (von blasen = melden) bezeichnet.

Ihren Höhepunkt erreichte die europäische Heraldik zweifellos in der Zeit des Rittertums, also von der Mitte des 12. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Im 13. Jahrhundert begannen auch das Bürgertum (und im 14. Jhdt auch die Bauern), sowie Klöster und Städte Wappen zu führen.

Im 14. Jahrhundert wurden die ersten Wappenbriefe ausgestellt, womit allerdings keine Reglementierung der Heraldik verbunden war. Vielmehr hatten die Landesfürsten die Heraldik als willkommene Einnahmensquelle und als Möglichkeit, einzelne Adelige auszuzeichnen, entdeckt.

Besonders im 15. Jhdt stieg die Zahl der ausgestellten Wappenbriefe stark an. Die Vielzahl der Wappen und der verwendeten Symbole machte die Erschaffung eines ausgeklügelten Systems des Blasonierens und einer eigenen, noch heute gültigen Fachsprache notwendig, denn ein Wappen musste bloß anhand seines Blasons (Beschreibung) aufgerissen (gezeichnet) werden können.

Das Ende des Mittelalters, die damit einhergehenden politischen Veränderungen und die Entwicklung neuer Waffen und Kriegstechniken, brachten auch das Ende des klassischen Rittertums. Die Heraldik wurde von einer praktischen allmählich zu einer rein theoretischen Wissenschaft. Aufklärung, Französische Revolution, die bürgerlichen Revolutionen von 1848 und schließlich (in Österreich) das Inkrafttreten des Adelsaufhebungsgesetzes nach dem ersten Weltkrieg (StGBl. Nr. 211/1919) beschleunigten diese Entwicklung.

Erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnt sich, auch unter dem Einfluss der modernen englischen Heraldik, die Lehre von den Wappen und Zeichen aus ihrer Erstarrung zu lösen. Mittlerweile ist es wieder modern geworden, sein Familienwappen im Schmuck zu tragen und eine Vielzahl von heraldischen und/oder genealogischen Vereinigungen kümmert sich um die Fortführung der Wappenbücher und steht Ahnenforschern, aber auch Personen, die ein neues Wappen einführen, registrieren (was gesetzlich jedoch nicht vorgeschrieben ist) und tragen wollen, hilfreich zur Seite.