Handel im Wandel - Teil 1

Dies ist Teil 1 eines Vortrags, den ich 2018 für eine Konferenz deutschsprachiger Edelsteinsachverständiger im Natuhistorischen Museum Wien hielt.
Thomas Pfneisl, Wiener Edelstein Zentrum

Veränderungen im internationalen Edelsteinhandel seit 1984.

Technologische Veränderungen

1984 brach ich zu meiner ersten Einkaufsreise auf. Wenn ich damals, bis in die frühen 1990er Jahre, einen Lieferanten, z.B. in Jaipur, Indien, erreichen wollte, so gab es nur wenige Möglichkeiten.
Per Brief dauerte es viel zu lange, Telexgeräte waren nur für Großfirmen erschwinglich und so blieb nur das Telefon.

Indien hatte damals sicherlich eines der schlechtesten Telefonnetze der Welt und ein Anruf war ein äußerst zeit-, kosten- u. nervenaufwändiges Unterfangen. Ich erinnere mich an ungezählte Gelegenheiten, als ich den ganzen Vormittag über, in zwanzigminütigen Abständen, versuchte, eine Leitung zu bekommen. Nach der Mittagspause ging es weiter, bis es schließlich sinnlos wurde, weil ich wegen des Zeitunterschieds niemanden mehr erreicht hätte. Also probierte ich es am nächsten Tag wieder, bis endlich eine Verbindung zustande kam.

Was damit auch zustande kam, war ein fünf- bis zehnminütiges und somit ziemlich teures Telefonat. Eine Minute kostete damals ca. € 3,50 und monatliche Telefonrechnungen von umgerechnet € 500 waren keine Seltenheit.

Die erste Technologie, die uns Edelsteinhändlern das Leben massiv erleichterte, war das Fax.
Die Geräte kosteten anfangs zwar ein kleines Vermögen und es dauerte auch noch geraume Zeit, bis zur ausreichenden Verbreitung in den Herkunftsländern, dann allerdings amortisierte sich die Anschaffung sehr rasch, weil die Informationsübermittlung nur mehr 30 Sekunden dauerte.
Dank automatischer Wahlwiederholung verbrachte man zudem nicht mehr Stunden am Telefon und war auch nicht mehr an die lokalen Öffnungszeiten gebunden.

Dann ging es relativ rasch weiter zur E-Mail und seither kostet Informationsübertragung fast nichts mehr und funktioniert, soferne man nicht einige große Fotos versendet, quasi in Echtzeit.

Apropos Fotos: Die nächste Technologie, die den Edelsteinhandel revolutionierte, war die Digitalfotografie. Musste ich früher mühsam, zuerst am Telefon, dann schriftlich, im Fax, erklären, welche Farbe das gesuchte Turmalinpärchen haben musste, um zum bereits vorhandenen Ringstein zu passen, so schicke ich heute ein Foto. Trotz unterschiedlicher Farbdarstellung von Monitoren funktioniert das erstaunlich gut.

Last but not least sei hier eine Technologie erwähnt, an die man nicht sofort denkt, welche aber den Edelsteinhandel ebenfalls stark beeinflusst und beschleunigt hat, ja in manchen Fällen erst ermöglicht: international agierende Kurierdienste.

Eine postalische Wertsendung aus Asien, Afrika oder Südamerika dauerte früher gut und gerne vier Wochen, nicht selten auch bedeutend länger. Hinzu kamen noch ein paar Tage für die Verzollung und dann wurde nichts mehr aus dem Verkauf, weil der Geburtstag inzwischen vorbei war...

Wie das Zusammenspiel von moderner Kommunikationstechnologie, Digitalfotografie und schnellem Kurierdienst heute im Idealfall läuft, soll folgendes Beispiel illustrieren:

Wir erhielten einen Anruf eines Goldschmieds, der einen Interessenten für einen dreifärbigen Turmalin in wirklich feiner Qualität hatte.
Der Stein sollte rosa, farblos und grün, im Smaragdschliff gehalten und mindestens 35mm groß sein. Keine leichte Übung!

Früher wäre das Geschäft wahrscheinlich nicht zustande gekommen, denn ich hätte einen solchen Turmalin mit Sicherheit nicht lagernd gehabt, ebensowenig die paar Kollegen, die ich anrufen hätte können. So wäre mir nur übrig geblieben, dem Goldschmied zu versichern, dass ich mich bei der nächsten Einkaufsreise zwar gerne bemühen würde, etwas passendes aufzutreiben, dass ich ihn und den Kunden aber um Geduld bis Ende September bitten müsste...

In diesem Fall leitete ich die Anfrage per E-Mail an unseren Mann in Brasilien weiter. Dieser machte sich mit seinem Smartphone bewaffnet sogleich auf den Weg zu den lokalen Händlern und Schleifern und nach einer halben Stunde hatte ich die ersten Fotos auf dem Schirm. Der Stein war weder gut genug, noch groß genug aber beim dritten Händler wurden wir fündig. Ich schickte die Fotos an den Goldschmied, der sie seinerseits sofort an den Kunden weiterleitete. Nach wenigen Minuten erhielten wir das OK und wenige Tage später war der Stein in Wien.

Schöne neue Welt.
Vor fünfunddreißig Jahren war jeder einzelne Schritt dieses Geschäfts reine Science Fiction...