Die Paraïba Debatte

Ein Turmalin-Neufund aus Mosambik sorgt für Streitigkeiten. Dürfen die neuen Steine „Paraïba Turmaline" genannt werden? Wir berichten über den derzeitigen Stand der Diskussion.

Turmalin aus Paraïba, Brasilien

Der Erstfund

1989 wurden im brasilianischen Bundesstaat Paraïba ungewöhnlich lebhafte Turmaline von außergewöhnlicher Farbe gefunden. Mineralogisch handelt es sich um die Turmalin-Spezies Elbait, allerdings mit einem Kupfergehalt von bis zu 2,3 Gewichtsprozent, dem die Paraïba Steine ihre aufregende Farbe verdanken.

Nachdem sowohl die Echtheit der Steine als auch der natürliche Ursprung der Farbe außer Zweifel standen, setzte sich die Bezeichnung „Paraïba Turmalin“ als internationaler, auch von der CIBJO akzeptierter Handelsname rasch durch.

Weitere Funde

So weit, so gut. Die Probleme begannen, als weitere Lagerstätten mit kupferhältigen Turmalinen in sehr ähnlichen Farben gefunden wurden.

Das erste Mal geschah dies Mitte der 90er Jahre im Bundesstaat Rio Grande do Norte, ebenfalls in Brasilien. Die dort gefundenen Steine sahen den original Paraïba Turmalinen zum Verwechseln ähnlich und niemand hatte etwas einzuwenden, als die Steine ebenfalls als Paraïba Turmaline vermarktet wurden.

Der nächste Fund kam 2001 aus Nigeria und jetzt wurde die Diskussion um die Namensgebung erstmals hitzig. Das Problem war, dass die CIBJO in ihrer Definition von Paraïba Turmalinen nur angab, dass es sich um kupferhaltige grüne bis blaue Turmaline handelt, die mit dem Handelsnamen Paraïba Turmalin bezeichnet werden. Nicht festgehalten wurde, ob Steine, die als Paraïba Turmaline vermarktet werden, auch tatsächlich von dort stammen müssen.

Die nigerianischen Turmaline sind zwar nicht so attraktiv und können darüber hinaus sehr leicht durch ihren Gehalt an Blei identifiziert werden, aber sie enthalten eben auch Kupfer, sind von grüner bis blauer Farbe und entsprechen damit den CIBJO Richtlinien. Der internationale Edelsteinhandel, noch nie faul, wenn es darum ging, billigeren Steinen ein teures Mäntelchen umzuhängen – man denke nur die Bezeichnungen „Goldtopas“ und Rauchtopas“, mit denen jeder dahergelaufene Quarz geadelt wurde – macht bis heute prächtige Geschäfte. Der geneigte Leser ist aufgefordert, bei Ebay nachzusehen, was dort alles unter der Flagge Paraïbas segelt…

Die derzeitige Debatte

Endgültig kompliziert wurde die Angelegenheit vorigen Herbst, als in Mosambik kupferhaltige Turmaline gefunden wurden, die in manchen Fällen farblich wie auch chemisch kaum vom Original zu unterscheiden waren. Letztere Tatsache bringt mich in einen gewissen Argumentationsnotstand, bin ich doch der festen Meinung, dass Handelsnamen den Steinen vorbehalten bleiben sollten, für die sie ursprünglich geprägt wurden.

Nehmen wir als Beispiel den Mandarin Granat. Der Name wurde als Bezeichnung für namibische Spessartin Granate eingeführt. Mittlerweile sind die namibischen Lagerstätten erschöpft, nicht jedoch der Nachschub an Mandarin Granaten, dies jedoch nur deshalb, weil heute jeder annähernd orangefärbige Granat, wie braunstichig er auch sein mag, als Mandarin bezeichnet wird. Tatsächlich reichen selbst die schönsten Spessartine aus Nigeria, Madagaskar, Sri Lanka oder woher auch immer, nicht an die Leuchtkraft der namibischen Steine heran.

Der Stand der Dinge

Im Fall der Turmaline aus Mosambik liegt die Sache jedoch anders. Was tun, wenn manche Steine aus der neuen Lagerstätte nicht von solchen aus Paraïba unterschieden werden können? Im April dieses Jahres einigte man sich im Laboratory Manual Harmonization Committee (LMHC) darauf, künftig alle kupferhaltigen Elbaite als Paraïba Turmaline zu bezeichnen. Die American Gem Trade Association (AGTA) bezeichnet seither in ihren Gutachten solche Steine als der Spezies Elbait Turmalin, Varietät Paraïba Turmalin, zugehörig. Darunter findet sich die Zeile „Fundort unbestimmt“ sowie als Kommentar „Der Varietätenname Paraïba stammt von der Lokalität wo diese erstmals gefunden wurde. Der geographische Ursprung wurde nicht bestimmt und könnte daher in Brasilien, Mosambik, Nigeria oder anderswo liegen“. Nur wenn die Ursprungsbestimmung zweifelsfrei möglich ist und der Auftraggeber dies verlangt, wird der Fundort im Gutachten angegeben und der Kommentar ersatzlos gestrichen.

Wie geht es weiter?

Als Purist in Sachen Namensgebung nehme ich dies zähneknirschend zur Kenntnis, fürchte jedoch, dass dies weitere Diskussionen nach sich ziehen wird. Hier wurde eine Ursprungsbezeichnung, mit der weltweit eine bestimmte Qualität assoziiert wird, zu einem Varietätennamen gemacht. Darf jetzt jeder Rubin von typischer Burma-Farbe als Burma Rubin bezeichnet werden, auch wenn er aus Vietnam oder Tadschikistan kommt? Ich gebe zu bedenken, dass nicht nur Farbe, Größe, Reinheit und Schliff, sondern auch die Seltenheit den Wert eines Steins bestimmen. Man denke z.B. auch an Habachtaler Smaragde oder Kaschmir Saphire.

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