Billiger TV Schmuck - Eine Polemik
Seit mehreren Jahren verfolgen wir aus beruflicher Neugier die Schmuckangebote diverser deutschsprachiger Dauerverkaufssender im Fernsehen.
Außerdem werden uns mit schöner Regelmäßigkeit Schmuckstücke aus solchen Quellen zur Reparatur gebracht. Zumeist lehnen wir diese Aufträge ab, weil es sich nicht auszahlt bzw. manchmal auch einfach unmöglich ist.
Neulich bat uns ein befreundeter Juwelier, ihm Argumente zu liefern, mit denen er eine liebe Stammkundin davon abhalten könnte, ihr Geld zum Fenster hinaus zu werfen.
Das taten wir natürlich gerne, zumal uns die Verkaufstricks dieser Anbieter schon immer sauer aufstießen.
Die (einzige) gute Nachricht zuerst: über die Preise kann man in den meisten Fällen nicht meckern. Der Schmuck wird in großen Mengen billig in Fernost erzeugt und dementsprechend billig angeboten.
Allerdings, und damit kommen wir zu den (zahllosen) schlechten Nachrichten, ist das "Zeugs" auch keinen Cent mehr wert.
Im Folgenden listen wir einige Kritikpunkte auf:
- Die Machart ist billig, um nicht zu sagen schlecht. Bei uns bekäme ein Goldschmiede- und/oder Fassserlehrling einiges zu hören, würde er so etwas abliefern. Dementsprechend gering bewerten wir auch die Haltbarkeit des Schmucks
- Es wird sehr viel sogenanntes Drittelgold verarbeitet. Dieses Material hätte nach österreichischem Recht vor unserem EU-Beitritt nicht als Gold bezeichnet werden, bzw. sich nicht einmal im österreichischen Zollbereich befinden dürfen
- Im TV werden scheinbar prinzipiell keine Behandlungsmethoden deklariert, weder bei "gebrannten" Steinen, die einer allgemeinen Auszeichnungspflicht unterliegen, noch bei bestrahlten, bedampften (Mondstein-Topas, Mystik-Topas u.ä.), diffusionsbehandelten, glasgefüllten u.ä. Steinen, die einer speziellen Auszeichnungspflicht unterliegen. Auf den Webseiten mancher Anbieter finden sich zwar manchmal Hinweise zur Behandlung, diese sind dann in der Regel gut versteckt, z.B. in der Rubrik "Pflegehinweise" und unvollständig und/oder schlichtweg falsch.
So fanden wir die Bezeichnung "beh." (steht für "behandelt") bei glasgefüllten "Rubinen" und in einem Fall verstieg sich der Anbieter eines Rubinrings zu dieser Behauptung: Die Behandlung erfolgt durch die Auffüllung von haarfeinen Einschlüssen durch eine kristalline Substanz. Dies macht den Stein um ein Vielfaches reiner und farbintensiver. Tatsächlich werden Risse in Rubinen aber nicht mit einer kristallinen Substanz sondern mit Glas gefüllt. Das verbessert zwar (scheinbar) die Reinheit, intensiviert aber keinesfalls die Farbe, außer das Glas wäre zu allem Überfluss auch noch rot...
- Mit Namen wie Kaschmir-Saphir, Paraïba-Turmalin oder Santa Maria Aquamarin verbindet man besonders hochwertige Edelsteine. Durch die Verwendung von Fantasienamen und Herkunftsbezeichnungen, selbst bei sehr billigen bzw. fast wertlosen Materialien, soll wohl auch hier der Anschein des Edlen und Teuren erweckt werden. Beispiele: Angelandia-Rosenquarz, Ouro Verde-Quarz, Vihear-Zirkon, Salamanca-Feueropal u.v.m.
- Durch Einblendung absolut überzogener "Startpreise" wird der Eindruck erweckt, der tatsächlich verlangte Preis wäre nur ein Bruchteil des Marktwertes. So kann der Startpreis eines Schmuckstückes, das um € 349 verkauft wird, ohne weiteres € 4.000 betragen. Tatsächlich könnten wir ein solches Schmuckstück auch um € 349 anfertigen, würden dies aus Angst um unseren guten Ruf aber nicht tun...
- Sehr oft wird Schmuck mit sehr billigen Edelsteinen angeboten, die aufgrund der mangelnden Härte oder der perfekten Spaltbarkeit aber nicht zu Schmuck, besonders nicht zu Ringen, verarbeitet werden sollten.
Apatit, Kyanit oder Kunzit mag im Ohrschmuck noch angehen, im Ring bemisst sich die Überlebenszeit in Tagen und Wochen, bestenfalls wenigen Monaten. Selbst im Ohrstecker verlieren solche Steine relativ rasch ihre Politur, also ihren Glanz, weil sie sogar vom Staub in der Luft zerkratzt bzw. stumpf werden.
Ein konkretes Beispiel:
Derzeit (November 2018) wird auf der Webseite eines Schmuck-TV-Senders ein Gelbgoldring mit einem ovalen Rubin 10x8mm in Krappenfassung angeboten.
Beim Stein handelt es sich um einen glasgefüllten "Rubin" von 2.64cts. Wir setzen den "Rubin" ganz bewusst in Anführungszeichen, weil bei diesen Steinen schon Glasgehalte von bis zu 75% festgestellt wurden und die renommierten Labors dieser Welt solche Steine nicht mehr als Rubin sondern als Kompositstein, Hybridrubin o.ä. bezeichnen. Auf internationalen Großhandelsmessen werden diese Steine heute um 10 USD p.ct. angeboten!!!
Dazu kommen 1.85g (!!!) 9karätiges "Gold", die Gusskosten, die Fasserarbeit (4 Krappen) und das Polieren.
Preis: € 199 inkl. Mwst.
Klingt billig, ist es aber nicht. Zudem ist das Ding keinen Cent mehr wert (eher weniger) und der Wiederverkaufswert geht gegen Null.